Sommerhaus, später : Erzählungen

Hermann, Judith, 2000
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Exemplare gesamt 1
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Medienart Buch
ISBN 978-3-596-14770-0
Verfasser Hermann, Judith Wikipedia
Systematik BEL - Belletristik
Schlagworte Liebe, Erzählungen, Angst, Vergänglichkeit
Verlag Fischer-Taschenbuch-Verl.
Ort Frankfurt am Main
Jahr 2000
Umfang 187 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 2. Aufl.
Sprache deutsch
Verfasserangabe Judith Hermann
Annotation Judith Hermann ist eine Autorin, welche die Rezensenten in zwei Lager teilt. Die einen überschlagen sich vor Begeisterung, die anderen finden in den Geschichten nichts anderes als größtmögliche Langeweile und Leere.

Wer sich die Bilder der Schriftstellerin anschaut, wie sie meist still in sich versunken und mit einem gewissen gelangweilten, vielleichtg sogar ins Leere gehendem Blick in die Kamera schaut, könnte ahnen, dass es sich hier um einen Menschen handelt, dem der Literaturbetrieb insgesamt irgendwie nebensächlich ist. Um aber hinter das Geheimnis, den speziellen Klang von Judith Hermanns Geschichten zu kommen, sollte man sich die Mühe machen, sich mit der Autorin selbst beschäftigen.

Nachdem ich "Nichts als Gespenster" gelesen hatte, von "Sommerhaus, später" manche Geschichten kenne, aber nicht alle, und nun nach vielen Jahren "Alice" las, hatte ich folgendes Gefühl: Die Autorin steht dem ganzen Literaturbetrieb mit einem sehr gesunden Abstand gegenüber. Sie macht den Hype, diesen ganzen Zirkus, der um ihre Art zu schreiben veranstaltet wird, nicht mit, unterwirft sich keinen Regeln, keinen den Buchmarkt beherrschenden Besonderheiten, sondern bleibt wie sie ist. Eine zurückhaltende, stille, vielleicht sogar schüchterne Frau, die nur ihre Geschichten schreiben will, nichts anderes, als das, und der es letztendlich egal ist, was die Kritiker darüber denken mögen.

Im vergangenen Jahr hatte ich das Glück, Judith Hermann bei einer Lesung zu erleben, und auch mit ihr zu sprechen. Sie ist genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Still, mit Abstand zu ihren eigenen Texten, die sie geschrieben hat, weil sie aus ihr herauswollten.

Die Lesung wurde von einer Moderatorin begleitet, die versuchte, im Interview-Stil Geheimnisse aus Judith Hermann heraus zu kitzeln und Fragen stellte, die das Publikum eigentlich nur nervten. Das Frage/Antwort-Spiel geriet beinahe zur Farce, weil sich die Fragerin nicht von ihrem Konzept abbringen lassen wollte, obwohl es durchaus Sinn gemacht hätte, spontan auf dieses Konzept zu verzichten.

Denn Judith Hermann kann auch erzählen, kann das Publikum unterhalten, ohne eine Frage nach der anderen abarbeiten zu müssen. Beinahe belustigt erzählte sie von der Schublade der "Fräulein-Wunder", in die sie nach "Sommerhaus, später" gesteckt wurde. Nebenbei berichtete sie dem Publikum von ihren Protagonisten, von der Art, wie und warum sie schreibt, und zwar genau so, wie ich glaubte, dass sie nach der Art ihrer Geschichten sein müsste: Sie schreibt, weil sie das Bedürfnis hat, zu schreiben. Sie sucht sich ihre Themen selbst, tritt lieber ein paar Schritte zurück, als sich vom Literaturbetrieb vereinnahmen zu lassen. Ihre Texte sind deshalb so still, so unter die Haut gehend, weil sie von Kleinigkeiten berichten, von Dingen, die im Alltag kaum noch wahrgenommen werden, weil sie keine großen Abenteuer sind, sondern in der Hektik und Ruhelosigkeit der heutigen Zeit beinahe untergehen.

Judith Hermanns Texte entstehen nicht in Fließbandproduktion, und das macht sich in jeder Zeile bemerkbar. Und macht die Autorin, die ohne jegliche Starallüren auskommt, sympatisch. Judith Hermann ist ein ganz normaler Mensch, eine stille Person, der die hymnischen Kritiken aus ihren Werken, die bisher in großem Abstand voneinander erschienen, beinahe peinlich sind.

Was sagte sie mir noch? Ihre Personen, die sie in den Geschichten einfließen lässt, entwickeln ihr Eigenleben. Sie muss sie nur darin umhergehen lassen, ihnen Freiheit geben, das zu tun, was sie tun wollen.

Genau dies macht den Zauber aller Geschichten von Judith Hermann aus. Keine übermäßige Aktion, kein herbeigeschriebener Wortwitz, keine Schenkelklopfer, sondern Protagonisten mit einer gewissen Nachdenklichkeit, manchmal auch Behäbigkeit, die in der heutigen Zeit irgendwie gemächlich gegen den Strom schwimmen, aber dennoch eine ungeheure innere Kraft besitzen.

Wer den Mensch, den Schöpfer kennt, der hinter den Geschichten steckt, weiß, dass Judith Hermann kaum anders schreiben kann, und in Zukunft wohl kaum anders schreiben wird. Das nächste Buch wird wohl wieder Jahre auf sich warten lassen, die Kritiker werden nach Erklärungen für die lange Wartezeit suchen, und die Leser erneut in einen Zwiespalt bringen: Ist das nun höchste Literatur, oder einfach nur langweilig, weil so wenig geschieht?

Judith Hermann zwingt, in der heutigen, so hektischen Zeit innezuhalten. Eine Kunst, auf die sich nicht jeder Leser einlassen will. Die Differenz zwischen hochlobenden und gelangweilten Rezensenten lässt sich auf diese Art sehr einfach erklären.

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