Das Lied von Eis und Feuer ; Ein Tanz mit Drachen Band: 10

Martin, George R.R., 2012
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Exemplare gesamt 1
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Medienart Buch
ISBN 978-3-7645-3102-7
Verfasser Martin, George R.R. Wikipedia
Beteiligte Personen Helweg, Andreas [Übers.] Wikipedia
Systematik FAN - Fantasy
Schlagworte Mittelalter, Fantasy, Höfisches Leben, Freien, Loyalität
Verlag Blanvalet
Ort München
Jahr 2012
Umfang 797 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 4. Aufl.
Sprache deutsch
Verfasserangabe ins Dt. übertr. von Andreas Helweg
Illustrationsang Kt.
Annotation Zuallererst: George R. R. Martin ist ein großartiger Autor, daran zweifelt wohl niemand, der die Bücher 1 - 6 gelesen hat. Das atemberaubende Tempo, die Entwicklung der Charaktere, die lebendige Welt sind kaum mehr zu toppen. Mit den Büchern 7 - 10, die im Original die Bücher 4 und 5 sind, beginnt die Stimmung unter der Fangemeinde, die den Autor fast messianisch feiert, allmählich zu kippen. Das liegt nicht unbedingt daran, dass Martins Schreibstil schlechter geworden wäre oder er nichts mehr zu erzählen hätte, erst recht nicht daran, dass im seine Serie mittlerweile egal geworden wäre. Das Gegenteil ist der Fall: Martin hat zu viel zu erzählen und läuft Gefahr, sich in seiner eigenen Welt so zu verlieren wie die vielen Leser seiner Bücher. Das Problem ist, dass er seine Serie damit in Gefahr bringt. Ein Lied von Eis und Feuer befindet sich derzeit am Scheideweg und wohin die Reise geht, ist nicht abzusehen.
Martin hatte zunächst vor, Ein Lied von Eis und Feuer als Trilogie zu konzipieren. Dabei sollte der zweite Band die Eroberung von Westeros durch Daenerys umfassen. Wie wir nunmehr wissen, hat Martin im Englischen bislang fünf Bände gebraucht und Daenerys ist derzeit noch weit davon entfernt, nach Westeros zu kommen. Am Ende dieses Buches sitzt sie im dothrakischen Meer, zusammen mit einem längst vergessenen Charakter, während ihre Stadt sich immer noch im Krieg befindet. Wie konnte es soweit kommen?
George R. R. Martin hat sich verzettelt. Ich glaube ihm, dass er das Ende der Serie und den groben Weg dahin im Kopf hat, allerdings ist er zwischenzeitlich von seinem Plan abgewichen, dem deutschen Band 6 einen Zeitsprung von 5 Jahren nachfolgen zu lassen. Dieser Zeitsprung sollte notwendig sein, um in dieser Zeit die Drachen wachsen zu lassen, mit denen Danys Invasion steht und fällt. Martin hat ganze Kapitel gestrichen, weil es ihm irgendwann undurchführbar erschien, die übersprungenen 5 Jahre allein durch Rückblenden zu erzählen, zudem ist soviel in den ersten Bänden passiert, dass es ihm unglaubwürdig schien, nunmehr würde in Westeros, vom Krieg gebeutelt, jahrelang Frieden und Ruhe herrschen. Deshalb beschloss er, keinen Zeitsprung zu machen und Daenerys stattdessen in Meereen ein paar Jahre ihre Fähigkeiten als Herrscherin ausprobieren zu lassen, bis ihre Drachen groß genug wären. Damit entwickelte sich das, was der Autor als "The Meereenese Knot" bezeichnete: Er wusste nicht so Recht, wie er Daenerys ohne größere Brüche im Charakter wieder aus ihrer Stadt herausbekommen sollte, einer Stadt, deren Bevölkerung sie nicht im Stich lassen will und die sie als "Mutter" verehrt. Die Story begann zu stagnieren. Gleichzeitig musste irgendetwas in Westeros passieren und die Zeit, in der Dany in Meereen festsaß, konnte man mit einer Menge Stoff füllen. So entstanden zahlreiche Nebenplots, allesamt kunstvoll verwoben, aber nicht immer spannend (Brienne, Samwell). Es wurden zu viele Personen, die zeitgleich zu viele Dinge taten und sich an zu vielen unterschiedlichen Orten befanden. Das führte dazu, dass in den Büchern 7 - 10 weniger passiert als in den Büchern 5 und 6. Eigentlich sind diese 4 Bücher von der dort verstrichenen Zeit nur etwas mehr als ein einziges Buch, die Story wächst in die Breite und verliert dadurch unvermeidlich an Tempo, weil immer mehr Dinge zeitgleich erzählt werden müssen.

Der zehnte Band der Serie hat wie schon der neunte insbesondere die "großen 3" unter den Charakteren, Jon, Tyrion und Dany, zum Gegenstand, nachdem Band 7 und 8 eher ein voyeuristischer Roman über Cerseis politischen Untergang sowie ein Reisetagebuch von Brienne von Tarth waren. Zudem wird die Story um den Sohn des Greifen fortgesponnen, immerhin dort ist ein Fortschrift zu erkennen. Tatsächlich nimmt die Serie wieder etwas an Fahrt auf, allerdings viel weniger, als sie sollte und eigentlich müsste. Im Norden tut sich erschreckend wenig. Jon ist an der Mauer zum großen Logistiker mutiert und muss das Freie Volk in Sicherheit bringen, bevor der Winter, der seit Band 1 im Kommen begriffen ist, dann endlich da ist. Das ist weniger spannend, als es sein sollte, endet aber immerhin mit einem großen (wenn auch vorhersehbaren) Cliffhanger. Es steht zu vermuten, dass auch die Weißen Wanderer darauf "warten" müssen, dass Danys Drachen endlich groß genug sind. Die große Entscheidungsschlacht zwischen Stannis und Roose Bolton nähert sich dem Klimax, ist aber immer noch nicht erfolgt, weil Stannis Heer seit gefühlten 5 Bänden im Schnee feststeckt und nicht vorwärtskommt (vielleicht hat der Autor hier eine Metapher auf sein eigenes Schaffen eingebaut). Immerhin ist bekannt, dass Buch 11 die Entscheidungsschlacht bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt enthalten soll, danach sollten sich die Dinge im Norden vereinfachen und man kann sich auf die Weißen Wanderer konzentrieren. Ein großes Comeback feiert nach wie vor Theon Graufreud, der einer der tragischsten Charaktere des gesamten Buches ist und der auch den zehnten Band wesentlich auf seinen Schultern trägt, während Jon Schnee gar nichts weiß, Daenerys wie ein pubertierender Teenager von ihrem süßen Söldnertypen schwärmt und Tyrion sich fragt, wohin Huren gehen (die redundante Selbstreflexivität der Charaktere sollte Martin etwas zurückfahren, wenn man mich fragt). Achja, Tyrion. Der Gnom hatte in Buch 9 die Rolle des "Weltenbauers" übernommen, d.h. er reiste durch den dem Leser noch recht unbekannten Kontinent Essos und füllte so die weißen Flecken auf der Landkarte. In Buch 10 kommt er an, aber es wird keine gute Ankunft, weder für Tyrion, noch für den Leser. Zwar gibt es nach wie vor viele spannende Wendungen, allerdings hat Tyrion etwas von seinem Esprit verloren (kein Wunder allerdings, wenn man sich sein Schicksal vor Augen führt) und steckt genauso an der Sklavenbucht mit ihren eindimensionalen Charakteren fest wie der dornische Prinz oder Daenerys. Zum Ende des zehnten Bandes beginnt sich der Meereenische Knoten mit der Ankunft von Victarion Graufreud zu lösen, dieser straighte Wikingertyp, der nicht lange fackelt, ist genau das, was die festgefahrene Story braucht, um wieder in Gang zu kommen. Auch hier wird es allerdings bis Band 11 dauern, bis man der Sklavenbucht den Rücken kehren kann - auch hier ist Martin seinem Zeitplan nicht treu geblieben.

Es ist offensichtlich, dass George Martin, wie er sich selbstkritisch ausdrückte "zu viele Bälle in die Luft geworfen hat", mit denen er jetzt jonglieren muss. Er kann nicht zu sehr hetzen, sondern er muss den Spagat zwischen einem gesteigerten Erzähltempo und einer glaubwürdigen Auflösung zahlreicher loser Fäden hinbekommen. Wenn er das schafft, in insgesamt 14 deutschen Büchern (von mir aus auch 16, wenn er ein bisschen Tempo macht) und noch bevor er stirbt, gebührt ihm viel Lob, nichtsdestotrotz wird man dann immer feststellen müssen, dass er in den Bänden 7 - 10 sehr "bauchlastig" wurde und beinahe vom Weg abgekommen wäre und dass in diesen Büchern viel weniger Zeit vergeht als in den Büchern 1 - 6 und 11 - 14. Es gibt dennoch mehr Grund zur Hoffnung, als die desillusionierte anglo-amerikanische Community, die die Serie am Ende sieht, es uns glauben machen will: Die Drachen sind endlich groß genug, um damit einen Krieg zu führen, der Winter ist doch noch da und es lassen sich zum Ende des zehnten Bandes Tendenzen erkennen, den zu aufgeblähten Plot wieder zu entschlacken. Personen, die an unterschiedlichen Orten waren, finden zusammen (Jaime, Catelyn & Brienne; Theon, Asha und Stannis; Tyrion, Victarion und wohl bald Daenerys), so dass man weniger Poin c2c t-Of-View-Kapitel braucht und der Story wieder mehr Tempo geben kann. Große Entscheidungsschlachten bieten zudem die Gelegenheit, Charaktere sterben zu lassen und so die Schauplätze noch etwas zu reduzieren (hiervon sollte der Meister aber nur begrenzt Gebrauch machen). Einige Nebenkriegsschauplätze wie das Grüne Tal, Bran, Arya und vor allem der unvermeidliche Samwell werden natürlich weiterhin ihren Platz benötigen, hier sollte GRRM sich nicht zu sehr verheddern, das kann er sich nicht mehr leisten. Wenn er so weitermacht wie in den letzten Bänden, wird er dieses Epos nicht mehr zur Zufriedenheit der Fans vollenden können. Der nächste Band ist die letzte Ausfahrt.

Warum 4 Sterne? Ganz einfach: Trotz aller Besorgnis und den teilweise langatmigen Sklavenbucht-Kapiteln hat es mir weiterhin viel Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Man hat die Charaktere liebgewonnen, die Sprache des Buches ist großartig wie immer und der Meister versteht es nach wie vor, den Leser zu überraschen, ohne die Story unglaubwürdig werden zu lassen. Umso schlimmer wäre es, würde uns der Autor im Jahr 2016 mit einem Band 11 erwarten, der nicht an Geschwindigkeit gewinnt oder gar noch weiter ausufert. Ich jedenfalls glaube noch an das Happy End.

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