Das geraubte Leben des Waisen Jun Do : Roman

Johnson, Adam, 2014
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Exemplare gesamt 1
Exemplare verliehen 0
Medienart Buch
ISBN 978-3-518-46522-6
Verfasser Johnson, Adam Wikipedia
Beteiligte Personen Burger, Anke Carolin [Übers.] Wikipedia
Systematik BEL - Belletristik
Schlagworte Liebe, Freiheit, Identität, Wahrheit, Nordkorea, Progaganda
Verlag Suhrkamp
Ort Berlin
Jahr 2014
Umfang 685 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage 1. Aufl., neue Ausg
Sprache deutsch
Verfasserangabe Adam Johnson
Annotation Ein deprimierenderes Setting als das Nordkorea dieses Buches ist kaum vorstellbar. Die gnadenlose Gehirnwäsche einer Propagandamaschine, die niemals ruht, wird einem beklemmend nahe gebracht. Eltern erklären ihren Kindern früh, dass es eine innere und eine äußere Wahrheit gibt. Die äußere Wahrheit bestimmt das Sprechen und Handeln, die innere das tatsächliche Empfinden, über das man sich mit geheimen Zeichen - einer Handbewegung, einem Fingerdruck, einer Kopfhaltung verständigt. Trifft wirklich der Staat alle Entscheidung bis auf die privateste Ebene? Bekommt Frau tatsächlich einen Ersatzehemann zugeteilt, wenn der Ehemann stirbt? Werden wirklich alle schönen Mädchen aus den Dörfern nach Pjöngjang beordert, um als Trostmädchen (staatlich bestellte Prostituierte) zu arbeiten oder als Ehefrau Politbonzen zugeteilt zu werden? Gibt es wirklich Pflanzen, die Kimilsungie oder Kimjongilie genannt wurden? Wirklich in jeder Wohnung einen Lautsprecher, aus dem den ganzen Tag Propaganda dringt?

Hin- und hergerissen zwischen sämtlichen Ratings von keinem bis fünf Sternen, habe ich erstmal recherchiert. Woher hat der Autor seine Detailkenntnis? Zum einen beschäftigt er sich schon länger mit dem Thema Propaganda in jeder Form, erfuhr ich. Außerdem jahrelange Recherche und ein einziger, durch die Regierung straff kontrollierter Besuch im Land, bei dem er nicht mit einem einzigen Einwohner sprechen konnte, denn der Kontakt zu Ausländern ist strafbar. "Was ich durch meine Recherche herausgefunden habe," sagt Johnson, "ist, dass die meisten Nordkoreaner ihre Geschichte nicht erzählen können. Es ist aber wichtig, dass andere davon erfahren."

Was geschieht, wenn eine amtliche nationale Fiktion jedem seine Rolle zuschreibt? Was passiert mit den persönlichen Sehnsüchten und Wünschen, wenn Ehrlichkeit lebensgefährlich ist? Wann und wie käme jemandes wahrer Charakter zutage? Das ist der Stoff für einen Roman, der offenbar tatsächlich in der Hauptsache Fiktion ist, aber so intensive Szenarien erschafft, dass sie sich anfühlen wie die wirklichste aller Wirklichkeiten.

Der Autor arbeitet sowohl mit dramatischen wie auch satirischen Stilmitteln; nicht nur das totalitäre Nordkorea wird seziert, auch auf die USA fallen kritische Schlaglichter aus ungewohntem Blickwinkel. Erzähler ist nicht nur Jun Do (John Doe), sondern auch ein Verhörspezialist aus dem Folterbunker Kim Il Sungs wie auch der Volksheld Kommandant Ga, dazu immer wieder Sequenzen aus den Propagandalautsprechern, die die verzerrte Sicht der Partei wiedergeben. Man bekommt im Lauf der Lektüre regelrecht ein Gefühl dafür, wie sich Ereignisse der nationalen Fiktion anpassen lassen ...

Die meisten (professionellen) Rezensionen loben zudem, das Buch übermittle den wahren Geist von Liebe und Aufopferung. Da ist sicher was dran; Jun Dos Geschichte hat einen verhalten optimistischen Ausgang, der zu einem unermesslichen Preis erkauft wird. Was aber bei mir nachwirkt, ist nicht dieser kleine Sieg von Liebe und Vertrauen, sondern das Bild einer grausamen Welt, bevölkert mit Albtraumgestalten, regiert von Wahnsinnigen.

Ein Gesang aus der Hölle.

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