Paradies Liebe : 1. Teil der Trilogie

Paradies Liebe, 2013
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Medienart DVD
Beteiligte Personen Tiesel, Margarethe [Darst.] Wikipedia
Beteiligte Personen Kazungu, Peter [Darst.] Wikipedia
Beteiligte Personen Maux, Inge [Darst.] Wikipedia
Systematik DVD - DVDs
Schlagworte Kenia, Liebesdienste, Enttäuschung, Sextourismus
Jahr 2013
Altersbeschränkung 16
Regisseur Seidl, Ulrich
Verfasserangabe Ulrich Seidl ; Margarethe Tiesel ; Peter Kazungu ; Inge Maux
Sprache deutsch
Spieldauer 116 Min.
Annotation ... singt die Gruppe übergewichtiger Teenager in einer Reihe aufgestellt unter Anleitung ihrer sehr unterkühlten, dafür aber gertenschlanken Trainerin. Nach jeder gesungenen Zeile klopfen sich alle auf eine Körperregion mit Fettanteilen: Bauch, Beine, Po. Im Abspann des Filmes wird das Lied noch einmal erklingen und als Betrachter muss man unwillkürlich schmunzeln, obwohl das dargestellte Diätcamp ansonsten gar nicht lustig ist. Es sind mehr Situationskomik und ein gewisser Galgenhumor, die diesen Film bestimmen, obwohl es auch ausgelassene Szenen gibt: Wenn die Jugendlichen auf ihren Zimmern sind, verschaffen sie sich durch Musik, eingeschmuggelten Alkohol oder das unvermeidliche Flaschendrehen etwas Partystimmung. Mit pubertären Kuss- und Ausziehspielchen machen sie sich Luft von Demütigungen und Disziplin, die in der Regel in recht gefühllosen Drill sich zeigen. Der selbst nicht wirklich schlanke männliche Trainer wirkt mit seiner Trillerpfeife meistens eher wie ein Gefängnisaufseher, der aber am Schicksal seiner Schützlinge völlig uninteressiert ist.

Die Hauptfigur des Films, die dreizehnjährige Melanie, ist dem Kenner der Paradies-Trilogie bereits aus dem ersten Teil bekannt: Dort war sie als bewegungsrenitente, übellaunige Tochter von Teresa zu sehen. Teresa wiederum fuhr in Paradies: Liebe nach Kenia in den Sommerurlaub und machte auf der Suche nach Zuneigung unfreiwillige Erfahrungen mit dem Sextourismus und dem Reich-Arm-Gefälle. Bevor sie ihr Flugzeug nach Afrika bestieg, lieferte sie ihre Tochter bei ihrer Schwester Anna Maria ab. Jene Anna Maria wiederum war im zweiten Teil, in Paradies: Glaube, in ihrem Urlaub nicht auf Reisen, sondern besuchte mit einer mittelgroßen Marienstaue wildfremde Menschen, um mit Ihnen zu beten, während "die Muttergottes zu Gast ist". In der Logik des Zusammenhangs dieser drei Figuren wird also in "Paradies: Hoffnung" die Sommerferienzeit von Melanie erzählt, die zu Beginn des Films von ihrer Tante Anna Maria im dortigen Heim sprichwörtlich abgeliefert wird. Der alle drei Filme verbindende 'Paradies'-Titel ist also inhaltlich auch eine Anspielung auf die so genannte schönste Zeit des Jahres, den Urlaub. Auf einer zweiten Ebene ist 'Paradies' die Chiffre für tief sitzende Sehnsüchte: nach Anerkennung als Frau, einschließlich des Erlebens von Zärtlichkeit, nach spiritueller Erfahrung in der Nachfolge Jesu bzw. einem verbissen verfolgten Missionseifer und die Sehnsuch nach der ersten Erfahrung als Frau akzeptiert und angenommen zu werden und nicht nur mehr ein dickes Mädchen zu sein.

Formal bleibt sich der Regisseur Ulrich Seidl treu, der ursprünglich nur eine Geschichte erzählen wollte, und dann merkte, dass er Stoff für drei Filme vor sich hatte. Er arbeitet ohne Soundtrack, so dass das Lied "If you're happy" besonders ins Ohr geht, zeigt statische, extrem symmetrische Einstellungen und lässt den Teenager-Gänsemarsch mal von links mal von rechts, mal von oben, mal von unten ins Bild laufen, aber immer streng choreografiert. Wer auf der Suche nach einer spannenden Geschichte ist, kann von diesem Film nur enttäuscht werden, da es um die möglichst einfache und realistische Wirkung der Menschen und vor allem um Stimmungen und Atmosphäre geht. Ebenso enttäuscht sein wird derjenige, der im Sinne von Schnitt- und Kameratechnik klassischen Mainstream erwartet. Zusätzlich arbeitet Seidl noch mit inhaltlichen Enttäuschungen, indem er immer wieder zuspitzt, wie z.B. in der Annäherung zwischen Diätarzt und der minderjährigen Melanie und dann doch wieder abbricht und in der nächsten Szene neu ansetzt. Beeindruckend sind die natürlich aufspielenden Jugendlichen, die unter ihren tatsächlichen Vornamen im Film auftreten und sich unbefangen miteinander vor der Kamera vergnügen und über erste sexuelle Erfahrungen unterhalten. Die Erwachsenen bleiben eher blass und statisch, nur dem Arzt werden Gefühle zugestanden, die er aber immer wieder zu kontrollieren sucht.

"Paradies Hoffnung" ist inhaltlich der am wenigsten provokante Teil der Trilogie, dadurch ist es aber auch der am wenigsten herausfordernde Film geworden. Die Hoffnung ist hier immerhin ein Schimmer, während Liebe und Glaube in den ersten beiden Filmen auf der Handlungsebene nur verzerrt und abseitig zu sehen sind, die Sehnsucht danach aber um so intensiver und schmerzhafter zum Tragen kommt. Am Ende bleiben auch in "Paradies: Hoffnung" wieder viele Bilder-Tableaus im Gedächtnis und die Suche von Menschen, die nicht viel anders sind als du und ich, denn bei aller Karikatur bleibt den Charakteren ihre Würde ... und das macht Hoffnung.

Als Abschluss der Paradies-Trilogie sicher sehenswert, für einen unterhaltsamen Filmabend völlig ungeeignet, besser ist ein Diskussionsabend. Ein vor allem aus formalen Gründen interessanter Film.

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