Mein Herz so weiß : Roman

Marias, Javier, 1996
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Medienart Buch
Verfasser Marias, Javier Wikipedia
Systematik BEL - Belletristik
Schlagworte Liebe, Selbstmord, Aufarbeitung der Familiengeschichte
Verlag Buchgemeinschafts-Lizenzausgabe
Jahr 1996
Umfang 364 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Javier Marias
Annotation "My hands are of your colour; but I shame/To wear a heart so white" (MacBeth, II ,ii). Kurz nachdem MacBeth König Duncan umgebracht hat, um selbst den Thron Schottlands besteigen zu können, steht er so sehr unter Schock, dass seine machtgierige Frau Lady MacBeth die Tatwaffe an der entsprechenden Stelle deponieren muss, um einige unschuldige Bedienstete mit der ungeheuerlichen Tat zu belasten. Nach ihrer Rückkehr macht sie sich über ihren feigen, weißherzigen Mann lustig (siehe Zitat). Der Verweis auf Shakespeare ist von Javier Marias bewusst gewählt worden, da es in "Mein Herz so weiß", ebenso wie in der wohl düstersten Tragödie des großen Poeten aus Stratford upon Avon, um Mord Verrat und Liebe geht.

Eine junge Frau steht vom Esstisch auf, geht ins Bad und schießt sich eine Kugel in die Brust. Was hat es mit diesem Ereignis auf sich, welches gleich zu Beginn des Romans beschrieben wird? Teresa war die Tante des Ich-Erzählers Juan, nach dessen Selbstmord sein Vater erst die jüngere Schwester der Selbstmörderin und somit die spätere Mutter Juans geheiratet hat. Auf der Suche nach dem dunklen Geheimnis in seiner Familie reflektiert der detailversessene Juan seine eigene noch junge Ehe sowie die Motivation, sich überhaupt auf zwischenmenschliche Beziehungen einzulassen: "Jede Beziehung zwischen Menschen ist immer eine Ansammlung von Problemen, Auseinandersetzungen, auch von Kränkungen und Demütigungen" (86) analysiert er illusionslos. Ebenso offen beschreibt er die immer noch so angesehene Institution der Ehe. Fern aller romanischen Treuschwüre, aus Liebe den Rest seines Lebens mit einem anderen Menschen verbringen zu wollen, philosophiert Juan: "Die Leute heiraten nur, wenn ihnen nichts anderes übrig bleibt, aus Panik oder weil sie verzweifelt sind oder weil sie es nicht aushalten, jemanden zu verlieren, den sie nicht verlieren wollen" (153).

Der Erzähler des Romans beschreibt und interpretiert jedes noch so kleine Detail, so unwichtig es auch er scheinen mag. Das führt dazu, dass eine Begegnung, die sich in nur wenigen Sekunden abgespielt haben mag, auf dreißig Seiten und mehr dargestellt wird. Doch gerade das macht das Faszinierende an diesem Roman aus. Marias rhetorisches Talent ist schlicht und einfach beeindruckend und durch die Fokussierung auf nur ganz bestimmte Augenblicke konstruiert er schon fast so etwas wie tiefenpsychologische Profile seiner Charaktere, die zu überzeugen wissen.

Doch trotz seiner Erzählkunst weist der Erzähler immer wieder auf die Beschränktheit seines Erzählens sowie zwischenmenschlicher Kommunikation überhaupt hin: "Erzählen entstellt, die Dinge erzählen entstellt die Dinge und verdreht sie und verneint sie fasst [...]" (231). Nichts ist so wie es scheint, hinter der nackten Fassade des Wortes, so kunstvoll sie auch sein mag, verbirgt sich doch immer noch etwas, was sich nicht mit den Mitteln der Sprache fassen und darstellen lässt.

Fazit: Marcel Reich-Ranicki hält Marias für einen der "größten im Augenblick lebenden Schriftsteller" überhaupt. Wer "Mein Herz so weiß" gelesen hat kommt gar nicht darum herum, dem deutschen Literaturpapst zuzustimmen. Inhaltlich und vor allem sprachlich bewegt sich der Roman auf einem Niveau, welches heutzutage nur noch selten erreicht wird.

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