Republik ohne Würde

Thurnher, Armin, 2013
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Medienart Buch
ISBN 978-3-552-05603-9
Verfasser Thurnher, Armin Wikipedia
Systematik DSA - Deutsch Sachbuch
Schlagworte Politik, Österreich, Gesellschaftskritik, Zweite Republik, Demokratie
Verlag Zsolnay
Ort Wien
Jahr 2013
Umfang 300 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe Armin Thurnher
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Sabine Eidenberger;
Versuch einer Pauschalabrechnung mit Österreichs Politik und Gesellschaft. (GP)
Armin Thurnher nimmt sich in diesem Essay mit Überlänge den graduellen Verlust der Würde Österreichs vor. Obwohl Korruption, Machtmissbrauch und Freunderlwirtschaft wahrscheinlich nicht erst seit Antritt der Schwarz-Blauen-"Wenderegierung" in der Republik existieren, nimmt er diese als weitläufigen Ausgangspunkt für seine Darstellungen. Es wird eine Stammtischrede auf hohem Niveau geführt. Schonungslos wird noch einmal alles aufgezählt, was man uns seither zugemutet hat: von Wolfgang Schüssel, der keinen Augenblick daran dachte, sein Wahlversprechen vom Gang in die Opposition einzuhalten, über Grasser, Eurofighter, Telekom, BUWOG und Bawag, Skandale quer durch alle Farben. Untersuchungsausschüsse, die nichts zu Tage fördern. Medien, die nur noch Schlagzeilen produzieren, und Bürger, die diese Schlagzeilen bereitwillig konsumieren. Doch nicht nur die Politiker nehmen dem Land die Würde. Auch die Elektronikverkäufer, die einen mit der falschen Software dumm sterben lassen, und Call Center, die ausschließlich erfunden wurden, um Kunden zur Weißglut zu bringen.
Was Thurnher in jüngerer Zeit vermisst, das sind Protestierende, Leute, die sich für die Würde Österreichs einsetzen. Was Thurnher allerdings schuldig bleibt, das sind Lösungen. So bleibt das Buch eine Wirtshaustirade, schön und kurzweilig zu lesen, ein Aufreger mit relativ wenig Nachhall - und eigentlich kann man's eh schon nicht mehr hören. Für große Bestände.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Die Würde wird zwar ziemlich viel in den Mund genommen, meistens aber fehlt sie, zumeist beim anderen. Letztlich gibt es fast nichts, wo nicht die Würde Platz nehmen könnte, man denke nur an die Menschenwürde oder an die Würde beim Sterben.
Armin Thurnher stellt einem großen demokratischen Begriff wie der Republik einen ebenso großen des Anstands und der Moral gegenüber, so dass es fast logisch ist, dass es sich um eine Republik ohne Würde handelt, wenn man vom zeitgenössischen Österreich spricht.
Das Spiel von der Würde findet auf zwei Ebenen statt, einmal staatstragend als Ausriss aus der unmittelbaren Zeitgeschichte, das andere Mal persönlich in Gestalt von Tagebucheintragungen um die persönliche Würde. Gerade am persönlichen Zuschnitt lässt sich vielleicht am ehesten eine Einteilung der Tage in würdevolle und entwürdigende treffen. So soll der Autor einmal Professor werden, just von jenem Bundeskanzler ernannt, den er ein Leben lang scharf beobachtet hat in all seinen Unkorrektheiten und gebrochenen Versprechungen. Ein andermal knickt sogar die anerkannte Neue Zürcher Zeitung ein und druckt einen Artikel nicht ab, weil andere Interessen im Hintergrund hochwallen. Vollends Würde-los empfindet sich der Autor, als ihm der Laptop mit all seinen Recherchen zur Würde gestohlen wird. Genau diese Mischung aus "selbst schuld und warum ich?" macht ein fassungsloses Gefühl, worin keine Würde mehr greifbar ist. Ähnlich entwürdigend geht es manchmal im Buchhandel zu, wenn Autoren wie die Tiere durch den Herbst- oder Frühjahrsmarkt getrieben werden.
Diese würdelosen Zustände, wenn eine ganze Bevölkerungsschicht sich quer durch das Fastfood frisst wie in Amerika, wenn im öffentlichen Raum das Raunzen kein Ende mehr nimmt, wenn Menschen abseits jeglicher Selbsteinschätzung fremde Rituale übernehmen durch Nachäffung, diese Würdelosigkeit kann auch eine ganze Republik treffen, wenn die politischen Agenden von profunden Parvenues vorgetragen werden.
So kratzt der niederösterreichische Landeshauptmann schon ziemlich würdelos an politischem Anstand entlang im Stile des "Pröllschen Neoabsolutismus, vergleichbar mit dem chinesischen Wirtschaftssystem, so viel Kapitalismus wie möglich, so viel Demokratie wie notwendig, und immer katholisch." (71)
Völlig würdelos freilich geht es zu Zeiten der schwarzblauen Regierung zu, wo gelogen wird, dass sich die Balken biegen, wo eine Korruption die andere jagt, und wo noch eine Generation später Dutzende von Staatsanwälten und Richtern damit beschäftigt sind, die "Jungen, Reichen und Schönen von damals" in ihren Korruptionsschleifen zu ertappen. Eine Politik, die die Republik privatisiert und sich privat bereichert, hat aus Österreich tatsächlich eine Republik ohne Würde gemacht.
Armin Thurnhers Sittenbild einer Republik, welcher Provinzler und Abkassierer im Gleichschritt an das Bein pinkeln, macht aus den Vorgängen ein Projekt der Peinlichkeit, das zurecht von der EU einst eisig mit Sanktionen geahndet worden ist. - Armin Thurnher gibt mit seiner wütenden Analyse der Republik einen Teil ihrer Würde zurück, wenigstens ein paar Aufrechte sind standhaft geblieben und haben Journalismus, Politik und Aufklärung halbwegs trocken durch den Sumpf getragen.
Helmuth Schönauer

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