Brigitta : mit einem Nachwort

Stifter, Adalbert, 1982
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Medienart Buch
ISBN 978-3-15-003911-3
Verfasser Stifter, Adalbert Wikipedia
Systematik REC - Reclam Ausgaben
Schlagworte Biedermeier, Liebesgeschichte
Verlag Reclam
Ort Stuttgart
Jahr 1982
Umfang 72 S.
Altersbeschränkung keine
Auflage [Nachdr.]
Sprache deutsch
Verfasserangabe Adalbert Stifter
Annotation Adalbert Stifter: Brigitta 1847
"Brigitta" ist eine der bedeutendsten Erzählungen Stifters. Es ist eine Liebesgeschichte, die ich auf den ersten Blick gar nicht als solche erkannte.

Die ganze Erzählung beginnt mit einem philosophischen Gedankengang, der etwa eine halbe Seite lang ist. Er ist Einleitung und vorweggenommene Schlussfolgerung zugleich. Dieser für mich sehr eindrückliche Gedankengang weckte bei mir aber weniger die Neugierde auf die folgende Erzählung, sondern viel mehr das Interesse an Stifters Denkart.

Das Buch ist in vier Kapitel unterteilt, die klar nach ihrem Geschehen voneinander abgetrennt, deren Übergänge aber fliessend sind. Stifter schreibt aus der Perspektive des Protagonisten und nur selten und fast unmerklich wechselt er in die Aussensicht. Ich erfuhr so den ganzen Verlauf der Dinge aus der Sicht des Erzählers, genau so, wie er sie der Reihe nach erlebt hat. Es ist ein Rückblick auf ein Erlebnis. Dabei macht Stifter weder Vorausdeutungen noch Gedankensprünge. Aus diesem Grund war die Erzählung für mich sehr einfach nachvollziehbar. "Brigitta" besteht eigentlich aus zwei unterschiedlichen Geschichten, die Stifter geschickt miteinander verknüpft hat.

Der Protagonist begibt sich auf den Weg nach Ungarn, um dort seinen alten Reisebekannten zu besuchen. Von diesem Major erfährt er das Schicksal Brigittas, der Frau, die auf dem Nachbargut wohnt. Aus der Vergangenheit des Protagonisten selber erfährt man nur, was zur Erklärung einzelner Umstände wichtig ist. Die namenlos bleibende Person erhält dadurch für mich einen etwas unpersönlichen Zug. Ich lernte seine Person vor allem durch seine Beobachtungen und Schilderungen kennen. Eine Identifikation mit ihm war mir nur deshalb möglich, weil ich seine Empfindungen nachvollziehen konnte. Die beiden Geschichten sind umrahmt von sehr bildhaften Beschreibungen der Landschaft und der Menschen, die mich sehr faszinierten. Die dazu verwendete empfindungsreiche, sehr einfach verständliche Sprache ist typisch für die Epoche des Biedermeier. Stifters eigener Sprachstil ist jedoch kaum zu übersehen. Seine Sätze sind ziemlich lang und das Komma benützt er als stilistisches Kunstmittel. Seine Sprache wirkt auf mich sehr ruhig und bedacht, irgendwie fast bezaubernd.

Stifter benützt für seine feinfühligen Beschreibungen sehr viele Adjektive. Er legt sehr viel Wert auf kleine Dinge, die vielen Menschen als wertlos erscheinen mögen. Bei mir haben Stifters fein differenzierte Wertauffassungen einen sehr tiefen Eindruck hinterlassen, denn bei ihm erhält sogar das Hässliche schöne Züge und Einsamkeit wie Öde bekommen ihren eigenen Reiz. In dieser Erzählung erhält die Zeit ihre eigene Dimension und die Menschen haben eine fast grenzenlose Geduld. Ich konnte die Stille und Ruhe, die aus dieser Erzählung hervorgehen, geradezu spüren. Die Natur steht in enger Verbindung zum menschlichen Leben. Die tiefe Harmonie konnte ich auch aus den Schilderungen der zwischenmenschlichen Beziehungen, die bei Stifter ebenfalls eine wichtige Rolle spielen, spüren. Dazu tragen auch die wenigen direkten Reden, die in diesem Buch zu finden sind, bei. Die Menschen stellt Stifter vor allem durch ihr äusseres Erscheinen und ihre Handlungen dar.

Die Erzählung erinnerte mich immer wieder an den Pietismus. Diese Glaubensart erlebte in der Epoche des Biedermeier eine Wiedererstehung. Ich erkannte den Pietismus in dieser Erzählung sowohl in der Landschaftsbeschreibung als auch im Handeln der Menschen. Sie erfüllen ihre Pflicht, sind genügsam und fleissig und geben sich der Arbeit, die nie um des Gewinnes willen getan wird, hin.

Stifter gibt vor allem Empfindungen von Liebe und Schönheit Ausdruck. In seiner Erzählung sind deshalb weder Wut, Hass noch Angst zu finden. Doch auch die Freude ist nicht sehr deutlich. Es ist nicht Stifters Art grosse Gefühlserregungen wiederzugeben. Die ganze Erzählung wirkt auf mich somit schon fast etwas melancholisch.

Brigittas Vergangenheit hingegen ist sehr lebhaft dargestellt. Als ich dieses Kapitel las, legte ich das Buch nur ungern zur Seite. Ich finde es schade, dass ihre Geschichte durch die vielen Details in den Hintergrund gerückt wird. Sie nimmt lediglich einen Viertel der Erzählung ein. Die Wanderung des Ich-Erzählers und der Aufenthalt bei seinem Reisebekannten sind dagegen viel ausführlicher beschrieben.

Die ganze Erzählung bleibt ohne Spannung. Selbst den Ausgang der Geschichte erahnte ich ziemlich schnell. Das Schlüsselereignis, das zur Auflösung des vom Major gut behüteten Geheimnisses führt, ist nicht sehr aufregend. Es wirkt im Gegensatz zum Rest der Geschichte künstlich.

In der heutigen Zeit mag diese Erzählung vielen Lesern als monoton und langweilig erscheinen. Auf mich wirkte sie entspannen

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